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Windkraftprojekte: Verbandsklagen haben nicht immer den Umweltschutz zum Ziel

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Prozesse sind bei den Verwaltungsgerichten angekommen

Sterr-Kölln & Partner: Status von Umweltverbänden sollte im Rahmen von Umweltverbandsklagen gerichtlich überprüfbar bleiben.

Es gehört mittlerweile zum Risiko aller Windenergieprojekte, dass ein Umweltverband Klage gegen die Genehmigung erhebt und sich zur Begründung auf Fehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung oder auf die Verletzung artenschutzrechtlicher Vorschriften beruft. Nicht alle Verbände haben jedoch den Umweltschutz zum Ziel. Seit Einführung des Verbandsklagerechts vor rund zweieinhalb Jahren gründeten vor allem örtliche Bürgerinitiativen klagewillige Verbände, deren einziger Existenzzweck die Verhinderung von Windparks in ihrer Umgebung ist. Diese Klagen sind nun in der gerichtlichen Praxis angekommen – wie ein Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt im April 2018 erneut gezeigt hat. Prüfen können die Gerichte die Anerkennung der Verbände in vielen Fällen jedoch nicht. Darauf weist das Beratungsunternehmen Sterr-Kölln & Partner hin. Eine gesetzgeberische Klarstellung sei hier wünschenswert.

Umweltverbände dürfen auch dann gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung klagen, wenn sie nicht in eigenen Rechten verletzt sind. Seit zweieinhalb Jahren können sie in Genehmigungsverfahren mit förmlicher Öffentlichkeitsbeteiligung sogar dann vor Gericht gehen, wenn sie sich gar nicht im Verwaltungsverfahren zu Wort gemeldet haben (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.10.2015 − C-137/14). 

Die Praxis zeigt nun ein relativ neues Phänomen: Immer wieder schieben Interessengruppen den Naturschutz vor, um Windkraftprojekte zu verhindern. Deswegen treten als Kläger häufig gerade nicht die etablierten Umweltverbände wie der NABU oder der BUND auf, sondern illustre Vereinigungen, die letztlich auf örtliche Bürgerinitiativen zurückgehen und oftmals auch keine besonderen Kenntnisse im Naturschutz vorweisen können. 

Um allzu offensichtlichen Missbrauch zu verhindern, sieht das Umweltrechtsbehelfsgesetz zwar vor, dass Umweltverbände die förmliche Anerkennung von der zuständigen Landesbehörde oder dem Umweltbundesamt benötigen. Unter bestimmten Umständen dürfen Verbände aber bereits klagen, wenn sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt haben.

Zwei Beispiele

Mit solchen „vorzeitigen“ Umweltverbandsklagen haben sich seit vergangenem Jahr das Verwaltungsgericht Frankfurt (7.3.2017 – 8 K 395/15) befasst sowie zwei Mal das Verwaltungsgericht Darmstadt (3.8.2017 – 6 L 850.17 und 29.3.2018 – 6 L 3548/17). In beiden Fällen blieben die Verbände letztlich erfolglos, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. In Darmstadt ging es in beiden Entscheidungen um einen Verband, der die Klage zwei Wochen nach Einreichung seiner vollständigen Antragsunterlagen beim Umweltbundesamt erhoben hatte. Zu früh, urteilte das Gericht in seiner ersten Entscheidung. „Vorzeitige“ Umweltverbandsklagen sind nämlich nur zulässig, wenn der Verband es nicht zu vertreten hat, dass er noch nicht anerkannt ist. Dies ist, so das Gericht, aber regelmäßig erst drei Monate nach vollständiger Antragstellung der Fall. Schließlich sei der Behörde ein ausreichender Prüfungszeitraum zuzugestehen. In der zweiten Entscheidung kam das Gericht gleichwohl zu einem anderen Ergebnis – und das, obwohl es um denselben Verband ging und den beinahe identischen Zeitraum ging. Denn im Zeitraum zwischen der ersten und zweiten gerichtlichen Entscheidung hatte der Umweltverband seinen formellen Anerkennungsbescheid erhalten. Dies nahm das Gericht zum Anlass, seine eigene Rechtsprechung wieder einzuschränken, weil die Klage dann in europarechtskonformer Auslegung als zulässig anzusehen sei, auch wenn sich die Fälle ansonsten nicht unterschieden haben. Letztlich kam es darauf aber gar nicht an, weil die Klage letztlich unbegründet war. 

Einen dezidiert anderen Weg hatte im letzten Jahr das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. gewählt. Das Gericht lehnte die Klage eines anderen Verbands nämlich aus grundsätzlicheren Gründen ab, obwohl auch dieser Verband im Laufe des gerichtlichen Verfahrens förmlich anerkannt worden war. Das Gericht hielt seine Klage trotzdem für unzulässig. Es handele sich nämlich gar nicht um einen Umweltverband; die Anerkennung durch das Umweltbundesamt hätte niemals erfolgen dürfen. Eine europarechtskonforme Einschränkung kam dem Gericht nicht in den Sinn.

Verwaltungsgerichte können die Verbands-Anerkennung nur selten prüfen

Die Erfahrung zeigt, dass die Anerkennungsbehörden großzügig sind und auch solche Vereinigungen anerkennen, die es nicht verdient haben. Diese Entscheidung ist bei einer Anfechtungsklage eines Verbands auch für das Gericht bindend, jedenfalls dann, wenn die Anerkennung bereits bei Klageerhebung vorlag. Nur wenn die Anerkennung in diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag (und – zumindest nach Auffassung des VG Darmstadt – sich dies auch bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht geändert hat), darf das Verwaltungsgericht die „Anerkennungsfähigkeit“ des Verbands in diesem seltenen Fall prüfen. 

Damit steht der Projektierer in vielen Fällen vor einem Dilemma: Eigentlich wäre er gezwungen, gegen die Anerkennungsentscheidung vorzugehen, von der er nichts weiß und wofür er, solange der Verband keine Klage gegen seine Genehmigung eingelegt hat, kein Rechtsschutzbedürfnis hätte. Auch eine Klage des Genehmigungsinhabers gegen den Anerkennungsbescheid nach Eingang der Klage des Umweltverbands gegen seine Genehmigung ist keine Lösung. Denn dies würde zu parallelen Prozessen vor verschiedenen Gerichten über denselben Sachverhalt führen – und das Projekt nochmals verzögern: im Zweifel würde das Gerichtsverfahren um die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ausgesetzt, bis eine rechtskräftige Entscheidung zur Anerkennungsentscheidung vorliegt.

Gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert 

Um hier auch den betroffenen Genehmigungsinhabern ein Mindestmaß an Rechtssicherheit zu gewähren, ist deswegen eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert. „Im Rahmen von Umweltverbandsklagen sollte der Status des Umweltverbands – zumindest auf eine entsprechende Rüge – gerichtlich überprüfbar bleiben“, so Sebastian Helmes von Sterr-Kölln & Partner. „Dies würde auch nicht unsachgemäß in die Rechte der Verbände eingreifen.“ Seriöse Umweltverbände, die die Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen, werden keinerlei Schwierigkeiten haben, dies im Rahmen eines von ihnen angestrengten Gerichtsverfahrens zu belegen.

Aktuelles Expertenwissen gibt es auf www.sterr-koelln.com/news-downloads/gut-zu-wissen

Planer erleben immer häufiger, dass unseriöse Verbände gegen ihre Windkraftprojekte kla-gen. Foto: elxeneize123RF