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Infraleichtbeton 2.0 – die Zukunft des Bauens?

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Prof. Karl-Christian Thienel forscht mit seinem Team an den neuesten Entwicklungen des altbekannten Baumaterials Beton: So wird der Hausbau in Zukunft noch schneller und umweltfreundlicher.

Vom 13. bis 15. Januar 2021 fand in München die BAU, die weltweit größte Fachmesse für Architektur, Materialien und Systeme, statt – online. Durch die Covid-19-Pandemie war auch die BAU gezwungen, die Messehallen geschlossen zu halten und Aussteller sowie Besucher nur digital zu empfangen. Die Themen, die die Branche beschäftigen, wurden virtuell diskutiert.

Zwei der vier Leitthemen der diesjährigen Messe beschäftigten sich mit der: „Zukunft des Wohnens“ und „Ressourcen und Recycling“. Zu beiden Themen passen die aktuellen Forschungsergebnisse zu Infraleichtbeton vom Institut für Werkstoffe des Bauwesens der Universität der Bundeswehr München unter der Leitung von Prof. Karl-Christian Thienel, Vizepräsident für Lehre und Internationalisierung.

Ein Material, das alles kann
Beton spielt als Baustoff im Wohnungsbau schon lange Zeit eine Rolle: für die einen sind Häuser aus Sichtbeton eine optische Zumutung für andere wiederum designpreisverdächtig. Welch großes Potential in diesem Baustoff steckt, ist Laien häufig nicht bekannt.

Mit der industriellen Herstellung von Zement als wichtige Komponente im Beton wurde dieser im 19. und 20. Jahrhundert der favorisierte Baustoff unserer Zeit. Heute ist Beton nicht mehr wegzudenken und kommt in allen Arten von Bauwerken vielseitig zum Einsatz. Auch Leichtbeton an sich ist keine neue Erfindung, sondern schon seit den Römern bekannt. Der Baustoff wurde stets weiterentwickelt und verbessert. Erstmals wurde im Jahre 2004 ein sehr leichter Leichtbeton im Rahmen eines Schiffbauprojekts an der Universität der Bundeswehr München entwickelt, der dann von Prof. Schlaich von der TU Berlin als „Infraleichtbeton“ adaptiert wurde und für Außenwände im Hausbau Anwendung fand. Existierende Normen beschreiben leichte, normale und schwere Betone. Da die neuartige Mischung unterhalb (lateinisch: infra) der Grenze zum bisher genormten Leichtbeton liegt, wurde sie Infraleichtbeton getauft; sie stellt eine Weiterentwicklung des bereits bekannten Leichtbetons dar.

Die Leichtigkeit entsteht unter anderem durch Zumischung von leichten Gesteinskörnungen wie Blähton oder Blähglas zum Zement, im Gegensatz zu Sand und Kies im Normalbeton. In diesen Materialien ist viel Luft eingeschlossen, wodurch der Beton nicht nur leicht, sondern auch noch deutlich wärmedämmender wird. Das Innovative am Infraleichtbeton ist, dass dieser alles in sich vereint, was für den Bau wichtig ist: er trägt, schützt vor Witterungen und dämmt. Diese Eigenschaften können zwar auch andere Materialien, wie zum Beispiel Holz, aufweisen, doch Beton hat zusätzlich den Vorteil der enorm langen Haltbarkeit.

Infraleichtbeton: Ein recyclebares Baumaterial
Für die Zukunft ist nachhaltiges Bauen eines der wichtigsten Themen. Ressourcenschonende Verfahren werden für Bauherren immer wichtiger und auch die Materialien nach dem Abriss eines Gebäudes sollen recyclingfähig sein. Im Gegensatz zur konventionellen Bauweise ist Infraleichtbeton sehr gut recyclebar. Die verwendete leichte Gesteinskörnung Blähglas ist selbst bereits ein Recyclingprodukt. Der Werkstoff bietet damit eine gute Perspektive für die Zukunft.

Die ausgezeichneten Eigenschaften des Infraleichtbetons sollten noch bei viel mehr Bauprojekten zum Einsatz kommen, so die Meinung von Prof. Thienel und seinem Team. Die realisierten Projekte der Wissenschaftler fanden bislang viel Anklang bei Architekten und Bauunternehmern. Und die Entwicklung zusammen mit der Baustoffindustrie geht weiter. Die Rezepturen werden von erfahrenen Betontechnologen der Industrie eingestellt, die Prüfung und Begutachtung erfolgt an den Instituten von Prof. Thienel und Prof. Thomas Braml (Institut für Konstruktiven Ingenieurbau) an der Universität der Bundeswehr München. So entstand die nächste Stufe der Weiterentwicklung – der Infraleichtbeton 2.0, ein statisch tragender Hochleistungsbeton, der monolithisches Bauen ermöglicht, die Anforderungen der Energieeinsparverordnung erfüllt und zu 100 Prozent recyclebar ist.

Größere Flexibilität durch Mobilität
Innovation wird jedoch nicht nur beim Produkt selbst großgeschrieben. Um mit dem Beton möglichst nah am Kunden zu sein, wurde von dem Betontechnologen Björn Callsen (Holcim GmbH) ein mobiles Betonwerk entwickelt. Dieses wurde auf einem LKW-Aufleger verbaut, was es ermöglicht, den gewünschten Infraleichtbeton an jedem Ort direkt herzustellen. In großtechnischen Versuchen auf dem Gelände der UniBw M wurde in einer Kooperation auch die Weiterverarbeitung des Materials vor Ort erprobt und es konnten bisherige Probleme mit der Pumpbarkeit des Materials behoben werden (siehe Video).

Das nächste Ziel ist eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für Infraleichtbeton beim Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin. Derzeit muss jedes Projekt, das mit diesem Infraleichtbeton gebaut wird, vom jeweiligen Bundesland geprüft und genehmigt werden.
Der neu entwickelte Infraleichtbeton ermöglicht eine schnelle und einfach Bauweise, die zu optisch ansprechenden Ergebnissen führen kann und durch die gute Wärmedämmung einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Da weniger Materialien miteinander verbunden werden, sind auf der Baustelle weniger Gewerke und Arbeitsschritte nötig, was zu einer Zeitersparnis beim Bauen führt. Die Forschung von Prof. Thienel und seinem Team leistet einen wichtigen Beitrag zur angestrebten Zulassung des Infraleichtbetons bei Bauprojekten in der Zukunft.