News Forum

WEGE, UMWEGE UND IRRWEGE DER IMMOBILIENBEWERTUNG

Achtung: Dieser Artikel bereits mehrere Monate alt und ggf. nicht mehr aktuell.

(bpr) Wenn eine Immobilie den Besitzer wechseln soll oder Erben ihren Pflichtteil einfordern, dann geht es darum, den Marktwert dieser Immobilie zu ermitteln. Makler- und Immobilienportale versprechen unbürokratische Lösungen per Mouseklick. Doch, wie steht es dabei um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit?

Potenziellen Käufern bzw. Verkäufern von Wohnimmobilien oder den Erben wird häufig Hilfe über Makler- oder Immobilienportale angeboten. Die Eingabe minimaler Merkmale wie Bauart, Anzahl der Wohnräume sowie Standort und Größe des Grundstücks führen rasch zu einem Ergebnis. Doch entspricht das wirklich dem Marktwert?

„Eindeutig nein“, urteilt Prof. Dr. Matthias Weppler, Sachverständiger für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken in Hannover und Hochschuhlehrer für Immobilienwirtschaft und -management an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Holzminden. „Der Marktwert einer Immobilie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Der Marktwert (Verkehrswert) wird durch den Preis bestimmt, der zu dem Zeitpunkt zu erzielen wäre, auf den sich die Ermittlung bezieht. Geregelt wird dies durch den § 194 BauGB“.

Um den Marktwert bzw. Verkehrswert einer Immobilie ermitteln zu können, stehen national und international meist drei Verfahren zur Verfügung: Das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Im Rahmen einer Verkehrswertermittlung werden und müssen alle relevanten Merkmale erhoben und in ihren Auswirkungen auf den Verkehrswert eingeschätzt werden. Und da fängt das Problem bei den online-Angeboten an. Viele wertrelevante Tatbestände wie Wegerechte, Wohnungsrechte, Reallasten u.a. finden sich nur im Grundbuch und/oder weiteren Individualverträgen.

„Das Vergleichswertverfahren kommt bei homogenen Gütern zum Einsatz, wie Wohnungen, Reihenhäuser und unbebaute Grundstücke“, so Prof. Dr. Sven Bienert, Lehrstuhlinhaber am IRE/BS Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg.

Die Betreiber von Makler- und Immobilienportalen haben darauf keinen Zugriff. Sie führen auch keine Objektbesichtigung durch, um z.B. Baumängel und Bauschäden zu erheben, wozu ein Sachverständiger für Immobilienwertermittlung verpflichtet ist. Somit können online-Angebote nur eine sehr grobe Einschätzung eines Durchschnittspreises für eine Immobilie leisten, die individuelle Besonderheiten der Immobilie nicht berücksichtigt.

Online-Angebote basieren zudem meist nur auf Angebotspreisen und allgemein zugänglichen Bodenrichtwerten, die sie den gängigen Immobilienportalen oder Bodenrichtwertinformationssystemen (wie z.B. BORIS.NI oder BORIS.NRW) entnehmen.

„Wie wir alle wissen ist so ein Angebotspreis nicht immer der tatsächliche Verkaufspreis. Dies gilt insbesondere bei gewerblich genutzten Immobilien, wo durchaus größere Abschläge zu verzeichnen sind“, erklärt Prof. Dr. Matthias Weppler.

Transparenz über tatsächliche Transaktionen von Immobilien als Grundlage für eine Wertermittlung liefern die regionalen Gutachterausschüsse. Gutachterausschüsse sind gemäß Ermächtigungsverordnung nach § 199 BauGB in den Bundesländern eingerichtete Ausschüsse, die beispielsweise in Nordrhein-Westfalen bei den Vermessungs- und Katasterämtern der kreisfreien Städte und Landkreise angesiedelt sind und dem Innenministerium des Landes NRW unterstehen. Sie werten die notariell beglaubigten Kaufverträge aus und überführen die Daten in die sogenannte Kaufpreissammlung. Mit Hilfe von statistischen Auswertungen werden die Ergebnisse anonymisiert in den jährlichen Grundstücksmarktberichten veröffentlicht.

Mit diesen Daten arbeiten in Deutschland insbesondere die zertifizierten oder öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Rahmen ihrer Verkehrswertgutachten. Sachverständige haben in der Regel eine wissenschaftliche Universitäts- oder Fachhochschulausbildung in Architektur, Bauingenieurwesen, Vermessungsingenieurwesen, Betriebswirtschaftslehre, Immobilienökonomie u.a. und eine mehrjährige Berufserfahrung beziehungsweise eine Weiterqualifizierung und Zertifizierung auf dem Gebiet der Grundstücksbewertung.

Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken bedienen sich häufig zeitnaher Wohnmarktanalysen nach dem iib Immobilien-Richtwert-Verfahren.

Autor: Ralf E. Geiling ist Wirtschaftsjournalist und Fachbuchautor in Neuss

Beispiel „Immobilienbewertung von Wohneinheiten einer Reihenhaussiedlung“
Immobilienbewertung Bauschäden Fotos: GMS-InfoService/bpr